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„Die lügen wie gedruckt“

In den Jugendräumen der Friedrichsgemeinde trifft sich seit 1988 die Gruppe „Kontakte“. Am 7. Mai 1989 beobachtet sie in 28 Potsdamer Wahllokalen die Stimmauszählung der Kommunalwahl. Fast neun Prozent Nein-Stimmen zählen sie am Abend aus. Die SED-Bezirkszeitung „Märkische Volksstimme“ veröffentlicht das amtliche Endergebnis: 98,5 Prozent Ja-Stimmen für die Stadt Potsdam. Gegen den offensichtlichen Wahlbetrug legen die Bürgerrechtler Hans Schalinski und Detlef Kaminski Einspruch ein. Überraschenderweise bestätigt ein Gespräch beim Potsdamer Oberbürgermeister die Zahlen. Das soll öffentlich werden: In mehreren Kirchen wird der Wahlbetrug bekannt gegeben. Live im Radio hören es die Potsdamer, als Detlef Kaminski die Stadtverordnetenversammlung stürmt und ins Mikrofon ruft: „Die lügen wie gedruckt“.
Als sich am 4. Oktober 1989 das Neue Forum in der Friedrichskirche vorstellt, kommen mehr als 3.000 Menschen zum Weberplatz. Aus Platzgründen muss die Veranstaltung dreimal hintereinander stattfinden. Viele unterstützen den Aufruf „Aufbruch 89“ der neuen, von der SED nicht zugelassenen Bürgerbewegung Neues Forum mit ihren Unterschriften.
Wenige Tage später richtet die am 7. Oktober 1989 neu gegründete sozialdemokratische Partei in der DDR (SDP) hier ihre erste Potsdamer Kontaktstelle ein.