Kontrollierte Öffentlichkeit

Presse und Öffentlichkeit in der DDR sind zentral organisiert: Informationen liefert die Abteilung Agitation des Zentralkomitees (ZK) der SED, die notwendige Lizenz muss von derselben Abteilung befürwortet werden. Die im Strafgesetzbuch der DDR unter Strafe gestellte „staatsfeindliche Hetze“ erzeugt eine vorauseilende Staatskonformität der Journalisten.
Tägliche telefonische Mitteilungen regeln die Informationspolitik: Die Abteilung Agitation des ZK der SED gibt an die Chefredakteure der Zeitungen die zu thematisierenden Inhalte durch. Diese ‚Empfehlungen’ haben den „Charakter einer Anweisung, die nicht zu beachten äußerst gefährlich werden konnte“, stellt Hans Modrow, selbst von 1971 bis 1973 Leiter dieser Abteilung, im Rückblick fest.
Die drohende Strafe wegen „staatsfeindlicher Hetze“ nach Paragraph 106, der sich Journalisten bei einer emanzipierten und dann als „staatsfeindlich“ interpretierbaren Betrachtung ausgesetzt sehen, lässt solche Stimmen fast vollständig verstummen. Im Ergebnis fallen die in der Zeitung beschriebene sozialistische Welt und die real existierende sozialistische Welt immer weiter auseinander. Die Mehrzahl der in der DDR lebenden Menschen informiert sich deshalb durch westdeutsche Rundfunk- oder Fernsehsender. Aufgrund der ungünstigen geografischen Lage vom Westfernsehen ausgeschlossen, bleibt den Dresdnern ein guter Rundfunkempfang – den sie auch intensiv nutzen.
Welche Wirkungsmacht ein staatlich organisierter Zeitungsvertrieb entfalten kann, zeigt der Fall der von Perestroika und Glasnost geprägten Zeitschrift „Sputnik“. Als dieser über Stalins Rolle im Vorfeld des Zweiten Weltkrieges und sein Verhältnis zu Hitler berichtet, ist die Vorbildwirkung der Sowjetunion außer Kraft gesetzt: Am 19. November 1988 weist der Staatsratsvorsitzende und Generalsekretär des ZK der SED Erich Honecker kurz entschlossen an, den „Sputnik“ von der Postzeitungsliste zu streichen. Ein offizielles Verbot spricht er nicht aus, aber die Zeitschrift kann niemand mehr in der DDR kaufen.
Immer mehr Menschen versuchen, den über viele Jahre ständig wachsenden Mangel an Öffentlichkeit auszugleichen. In literarischen Texten, Predigten, Rocktexten und Kunstwerken suchen die Menschen nach verschlüsselten Botschaften und aktuell-politischen Aussagen. Kirchen, Theater und Galerien bieten ihre Räume für eine ersatzweise Öffentlichkeit. Bis auf den letzten Platz sind Veranstaltungen gefüllt, die kritische Inhalte versprechen.