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„Bautzner Straße“

Die Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) ist zu allen Zeiten der DDR ein fast hermetisch abgeriegeltes, angstbesetztes Gebiet. Die starke Reglementierung von Briefen und Haftbesuchen auf beiden Seiten der Gefängnismauer führt zu einem sehr eingeschränkten Informationsaustausch.
Für die Gefangenen laufen durch einen rigide eingehaltenen Plan alle Tage gleich ab. Diese Eintönigkeit erhöht sich dadurch noch, dass den Untersuchungsgefangenen des MfS bis Mitte der 80er Jahre jede Art von Arbeit kategorisch untersagt ist. Ob eineBe-schäftigung gestattet ist, legt der jeweilige Vernehmer individuell fest und entscheidet damit auch darüber, ob der Häftling eine Zeitung oder Bücher erhält. Mit verschiedenen Methoden der ‚weißen Folter’ wie Schlafentzug, Dauer- und Nachtverhören sowie Einzelhaft versucht das MfS, sich die Betroffenen gefügig zu machen und zu belastenden Aussagen gegen Ehepartner, Freunde und Arbeitskollegen zu verleiten.
Unterbrochen wird der Haft­all­tag einzig durch ständig mögliche Verhöre. Der Dresdner Untersuchungshäftling Frank W. schildert den Ablauf seiner ersten Vernehmung so: „Am Nachm­ittag wurde ich zur Vernehmung geholt. Der Vernehmer hatte sich nicht vorgestellt. (…) Nachdem etwa fünf bis sechs Seiten geschrieben waren, war ich nicht mehr bereit, mich weiter vernehmen zu lassen. Ich war der Meinung, dass ich in meiner Sache genug ausgesagt hatte und das andere den Staat nichts angehe. Daraufhin stand der Vernehmer auf, stützte sich mit seiner linken Hand an der Wand ab und ballte die rechte zur Faust. So vor mir stehend drohte er mir Schläge an, wenn ich mich nicht weiter vernehmen lassen wollte.“
Nicht nur die Untersuchungshaftanstalt, auch die Bezirksver-waltung des Ministeriums für Staatssicherheit befindet sich auf dem Gelände Bautzner Straße 116. Der Dresdner Volksmund prägt dafür den Begriff „Bautzner Straße“.
Am 5. Dezember 1989 stürmen die Dresdner das Gelände der Staats­sicherheits­zen­trale. Offen und ohne Schutz stehen sich Be­wachte und Be­wacher gegenüber. Ein sich sofort gründendes Bürger­komitee sichert alle vorhandenen Akten, besetzt das Gelände und organisiert die Übergabe an die demokratische Öffentlich­keit. Heute befindet sich dort eine Gedenk­stätte, die vom Verein „Erkenntnis durch Erinnerung“ betreut wird.