2 Die sozialistische Magistrale

Sozialistische Magistrale
mit Pusteblumen

Eine moderne sozialistische Großstadt will Dresden in den 60er Jahren werden. Die letzten Ruinen der Innenstadt fallen einer Fußgängermagistrale zum Opfer, die zu kollektivem Vergnügen einlädt.
Mit vier Punkthochhäusern, einem 14-geschossigen Interhotel und einem überdimensionalen Lenin-Denkmal empfängt die moderne sozialistische Großstadt Dresden ihre Besucher am Hauptbahnhof. Die politische Nomenklatura der späten Ulbricht-Ära entscheidet sich für einen Totalabriss der alten Prager Straße, um das „neue Dresden“ mit einer wesentlich breiter angelegten Fußgänger-magistrale zu manifestieren. Nach dem Mauerbau 1961 tritt das Thema des historistisch „Nationalen“, von dem der Aufbau des Dresdner Altmarktes noch deutlich geprägt ist, zugunsten eines behaupteten Internationalismus zurück. So beginnt 1963 auf der Grundlage eines Wettbewerbs die Bebauung einer der letzten großflächigen Kriegsbrachen, die erst mit der Fertigstellung des neuen Centrum-Warenhauses 1978 abgeschlossen ist.
Jenseits der menschlichen Dimension entsteht eine geradlinige, überaus großzügige Magistrale, die nicht von Querstraßen unterbrochen, sondern durch Wasserbecken gegliedert ist. Mit grenzenlosem Selbstbewusstsein brechen die Architekten hier mit der städtebaulichen Tradition und schaffen eine völlig eigenständige Großkörperkonstellation, die sie bezugslos in gegebene Stadtstrukturen einsetzen. Als „Freibühnenraum für die entwickelte sozialistische Gesellschaft“ angelegt, bieten Institutionen wie die Großraumgaststätte „International“ oder das Rundkino mit einem 1000-Plätze-Saal vor allem kollektiv orientierten Vergnügungen Raum.