6 Sozialistische Kultur

Sozialistische Kultur ohne Turm

Sie steht in der Mitte der Stadt, in direkter Nachbarschaft zur politischen Macht, und wird in den 80er Jahren zum Ort von Friedens- und Umweltbewegung gleichermaßen. Die Öffentlichkeitswirksamkeit der Kreuzkirche und der Schutz, den ihr Superintendent Christoph Ziemer gewährt, hilft den oppositionellen Gruppen einerseits bei ihrer Arbeit. Andererseits geraten deren Mitglieder dadurch auch verstärkt ins Visier der Machthaber.
Geradezu jedes ihrer Treffen begleiten Staat und Staatssicherheit durch Reglementierung und Beobachtung. Besonders die erfolgreiche Etablierung einer alternativen Friedensbewegung, die sich auf internationale Abkommen bezieht, ist dem Staat ein Dorn im Auge. Die alttestamentarische Verheißung „Schwerter zu Pflugscharen“ wird zum Motto der Bewegung. Die Polizei reagiert mit Gewalt auf die Symbole: Ihre Träger werden verhaftet oder aus Schulen und Universitäten entlassen. Der Staat verliert das sicher geglaubte Monopol auf das Thema Frieden.
Auch für das Gedenken an die Bombenangriffe auf Dresden können die Machthaber keinen Alleinvertretungsanspruch mehr behaupten: Die Menschen gehen nach dem Gedenkgottesdienst am 13. Februar 1982 nicht nach Hause, sondern laufen mit Kerzen in der Hand zur Frauenkirche. Die staatlichen Gedenkveranstalter müssen ein christlich geprägtes stilles Gedenken direkt vor ihren Augen erleben, das sich nun jährlich wiederholt.
Die Arbeitsergebnisse zahlreicher Gruppen laufen schließlich in der ökumenischen Versammlung im April 1989 zusammen. Es entstehen 12 Texte, in denen konkrete politische Veränderungen gefordert werden: „Wir brauchen eine Atmosphäre, die den Mut zur Teilnahme an den öffentlichen Angelegenheiten fördert. (…) Das Wahlrecht sollte so reformiert werden, dass die Wähler auf die Aufstellung der Kandidaten wirksam Einfluss nehmen und geheim unter mehreren auswählen können.“
Mit diesen Forderungen entsteht ein Programm, das sich auch in den Aufgaben der „Gruppe der 20“ widerspiegelt. Am 8. Oktober 1989 auf der Prager Straße per Akklamation frei gewählt, spricht die Gruppe schon am nächsten Morgen das erste Mal mit dem Oberbürgermeister Wolfgang Berghofer. Am Abend strömen tausende Dresdner zu Informationsveranstaltungen über die Arbeit der „Gruppe der 20“, die in mehreren Dresdner Kirchen stattfinden. Schwerter zu Pflugscharen, „Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung“ lautet das Motto der ökumenischen Versammlung im April 1989. Die 12 Arbeitstexte legen einen Grundstein für die politische Besonnenheit und Weitsicht, die 1989 die Demokratiebewegung in Dresden prägen.