„Rettet die Sophienkirche, ehe es zu spät ist!“

Um Dresdens älteste Stadtkirche, von Walter Ulbricht unliebsam „das Ding“ genannt, wird lange gekämpft. 1958 beschließen Ost-Berlin und Dresden den Abriss der Sophienkirche. Trotz vieler Proteste aus der Bevölkerung muss sie der „Gaststätte am Zwinger“, genannt „Fresswürfel“, weichen.
Walter Ulbrichts Ansicht „Wir sind dafür, dass es einige Türme geben soll – es brauchen aber nicht alles Kirchtürme zu sein“ lesen die Dresdner am 28. Februar 1953 in der „Sächsischen Zeitung“. Als das Politbüro fünf Jahre später auf dem V. Parteitag beschließt, „im Zentralen Bezirk die offensichtlichsten Spuren des Krieges“ zu beseitigen und durch „ganze Neubau-Komplexe“ zu ersetzen, ist das Schicksal der Kirche besiegelt. In Dresden stimmt am 22. Oktober 1958 der Architekt Leopold Wiel als einziger gegen den Abriss der Sophienkirche.
Trotzdem vergehen bis zum tatsächlichen Abriss noch mehrere Jahre, die von Konzepten, Entwürfen und Gutachten zum Erhalt der Kirche angefüllt sind. Der Vorschlag, hier ein Architekturmuseum einzurichten, wird immer wieder aufgenommen und unterstützt: Viele aus den Trümmern der Stadt zu bergende Kunst- und Kulturgüter könnten hier gesichert und ausgestellt werden. Der bekannte Kunsthistoriker Fritz Löffler engagiert sich 1959 mit einem Brief an den Oberbürgermeister; der Leiter der Denkmalpflege Hans Nadler erläutert immer wieder den kulturhistorischen Rang der Sophienkirche.
Der Höhepunkt der Rettungsversuche ist eine studentische Flugblattaktion: Vom Dach der katholischen Hofkirche werfen Studenten Flugblätter mit der Aufschrift: „Rettet die Sophienkirche, ehe es zu spät ist!“ Drei von ihnen werden am folgenden Tag von der Staatssicherheit verhört.
Die politischen Machthaber setzen sich nun recht zügig durch: Am 17. Oktober 1962 stellt der Rat der Stadt Dresden dem Evangelisch- Lutherischen Landeskirchenamt Sachsen den Inanspruchnahmebescheid zum Kirchenlehn der Sophienkirche zu; am 3. Januar 1963 teilt das Landeskirchenamt zum wiederholten und nun auch letzten Mal mit, dass es mit der Inanspruchnahme nicht einverstanden ist. Trotzdem fällt am Vorabend des ersten Mai 1963 die letzte Wand der Sophienkirche.
Wenige Monate später beginnt der Bau der Großgaststätte am Zwinger. Der Dresdner Volksmund tauft sie „Fresswürfel“. Sein Image als Verdränger und Totengräber der Sophienkirche wird der Bau nicht los.